Neue AGB 17. März 2014 von David Pachali, John Weitzmann

Dropbox will Gerichte draußen halten – mit fraglichen Mitteln

Der Cloudspeicherdienst Dropbox ändert seine Nutzungsbedingungen und möchte sich gerichtlichen Streit mit Nutzern sparen. Stattdessen sollen sie sich einem Schiedsverfahren unterordnen. Auf Nutzer in Deutschland passt die neue Klausel aber mehr schlecht als recht – besonders, wenn man den Dienst nur privat nutzt.

Wer den Speicherdienst Dropbox nutzt, bekommt dieser Tage eine E-Mail: Zum 24. März will das Unternehmen seine Geschäftsbedingungen sowie seine Datenschutzrichtlinien ändern. Hervorstechender Punkt darin: Kommt es zum Streit zwischen Dropbox und Nutzern, sollen Gerichte außen vor bleiben. Nutzer und Unternehmen sollen sich stattdessen darauf festlegen, Streitigkeiten „durch ein abschließendes und verbindliches Schiedsverfahren zu klären“, wie es in den neuen AGB heißt.

Wozu dienen Schiedsverfahren?

Die Idee eines Schiedsverfahrens ist einfach: Nicht für jeden Streit muss man gleich ein Gericht einschalten; mit einem Dritten als Vermittler – im Wortsinn: einem Schiedsrichter – geht es oft leichter. Auch Dropbox beschreibt das Schiedsverfahren als vorteilhaft: Es sei „eine gute Alternative“ zu Gerichten, die zudem noch schneller und „effizienter“ sei, heißt es im Unternehmensblog. Aber wird es am Ende nur für Dropbox einfacher und effizienter, nicht für den Nutzer?

Der in Kalifornien ansässige Dienst steht mit solchen Klauseln jedenfalls nicht allein: In den USA sehen viele Unternehmen solche Schiedsvereinbarungen vor, wenn Verbraucher mit ihnen Verträge schließen. Besonders bei Banken und Kreditkarten-Anbietern sind die Klauseln im Kleingedruckten beliebt, aber auch Telefon- oder Internet-Provider und viele andere Anbieter nutzen sie häufig, so etwa Ebay, Microsoft oder Spotify. Auch in Europa findet man vor allem im Geschäftsverkehr immer häufiger solche Schiedsklauseln.

Unternehmen am längeren Hebel

Verbraucherorganisationen beobachten den Trend zu solchen Schiedsverfahren kritisch. Denn ganz so freiwillig, wie es in den Verträgen steht, einigen sich die Beteiligten in der Praxis selten. „Verbraucher werden unwissentlich ihres Rechtes beraubt, selbst darüber zu entscheiden, ob sie Konflikte vor Gericht oder mit anderen Mitteln angehen“, heißt es in einem Bericht (PDF) der US-Organisation Public Citizen. Wo zwischen Kunden und Unternehmen ein Machtgefälle herrscht, bleibt den Nutzern dann nur: Abnicken – oder weiterziehen.

Bei Dropbox können die Nutzer die Regelung immerhin abwählen. Wer mit dem neuen Verfahren nicht einverstanden ist, muss ein elektronisches Formular ausfüllen und abschicken. Wer nichts tut oder den Hinweis übersieht, für den soll aber fortan das Schiedsverfahren gelten – zumindest nach den Vorstellungen von Dropbox. Würde ein Nutzer also auf die Idee kommen, den Dienst – zum Beispiel bei einem Datenleck oder anderen Problemen – zu verklagen, wäre das danach nicht mehr möglich, weil sich beide Parteien vertraglich auf einen anderen Weg festgelegt haben. Stattdessen würde die American Arbitration Association über den Streit entscheiden, die im Vertrag als Schiedsrichter benannt ist. Nur bei einigen Bereichen – darunter Urheberrechtsverletzungen – soll das neue Schiedsverfahren nicht zum Einsatz kommen.

Zwar versucht Dropbox mit den neuen AGB, auch deutsche Nutzer dem neuen Schiedsverfahren zu unterwerfen. Allerdings lassen sich einige Fragezeichen anbringen, ob das Unternehmen damit so einfach durchkommt:

Verbraucherverträge: Die Form zählt

  • Damit Schiedsvereinbarungen in Verträgen wirksam sind, sieht das deutsche Recht besondere Anforderungen vor. So muss die Vereinbarung in einer gesonderten Erklärung getroffen werden, wenn sie mit Verbrauchern geschlossen wird. „Andere Vereinbarungen als solche, die sich auf das schiedsrichterliche Verfahren beziehen, darf die Urkunde oder das elektronische Dokument nicht enthalten“, heißt es im Gesetz. Dass solche Schiedsvereinbarungen mit privaten Nutzern als bloßer Unterabschnitt in AGB getroffen werden können, die ja auch noch sehr viele „andere Vereinbarungen“ enthalten, ist nach der zitierten Regel der Zivilprozessordnung (ZPO) zweifelhaft.
  • Außerdem sehen die gesetzlichen Regeln für elektronisch vereinbarte Schiedsverfahren eine elektronische Signatur vor, die aber kaum ein Verbraucher besitzt und die bei der Registrierung bei Dropbox derzeit auch gar nicht eingesetzt werden kann.
  • Für Verbraucher könnte die Regelung in den neuen Dropbox-AGB sehr wahrscheinlich selbst dann unwirksam sein, wenn sie das angebotene Opt-out-Formular nicht nutzen – was man mit etwas Phantasie als indirektes, an allen Verbraucherschutzregeln vorbei erklärtes Einverständnis interpretieren könnte. Da Dropbox die AGB und das Opt-out selbst entworfen hat, ließe sich die ganze Prozedur wohl als versuchte Umgehung des besonders verbraucherfreundlichen AGB-Rechts bewerten. Solche Umgehungen sind aber unzulässig.
  • Allerdings: Lässt man sich später tatsächlich auf ein von Dropbox eingeleitetes Schiedsverfahren ein oder startet selber eines, wird auch ein möglicher Formfehler „geheilt“, wie die Juristen sagen. Wer einmal mitspielt, ist drin.

Auf nach Kalifornien?

  • Unabhängig von ihrer Form könnte die Dropbox-Schiedsvereinbarung in den AGB auch deshalb unwirksam sein, weil sie Nutzer unangemessen benachteiligen kann. Schon die Tatsache, dass Verbraucher in Deutschland sich mit Schiedsgerichten in Kalifornien auseinandersetzen sollen, könnte sie unangemessen benachteiligen. Auch dann wäre die Schiedsvereinbarung unwirksam. Zwar heißt es in den AGB von Dropbox, dass kalifornisches Recht gelten soll, was nach vorherrschender Ansicht der Juristen hierzulande auch durchaus zulässig ist. Die deutschen Regelungen zum Verbraucherschutz werden dann aber nicht automatisch ausgebootet, sondern gelten parallel weiter.

Verbands- und Sammelklage ausgeschlossen: Schlecht sitzender Import

  • Der Abschnitt zu Schiedsvereinbarungen scheint insgesamt am amerikanischen Rechtssystem ausgerichtet und – wie bei AGB auch sonst häufig – nur notdürftig ins Deutsche übersetzt zu sein. So soll die Vereinbarung auch Sammelklagen von Verbrauchern ausschließen, die das Rechtssystem in Deutschland ohnehin so nicht kennt. Auch die sogenannte Verbandsklage möchte Dropbox gleich ganz unterbinden. In Deutschland können Verbraucherschutz-Organisationen gegen bestimmte Regelungen in Geschäftsbedingungen vorgehen, weil ein Gesetz es ihnen erlaubt. Was Dropbox in Verträgen mit seinen Nutzern schreibt, ist dafür aber gleichgültig, denn Verbraucherschutz-Organisationen sind nicht Partner in diesen Verträgen.

Soll man der Klausel widersprechen?

Es schadet jedenfalls nicht, wenn man der neuen Vereinbarung widerspricht. Ob man mit dem Widerspruch aber viel gewinnt, ist nicht gesagt: Möglicherweise entfällt nur die Gefahr, sich versehentlich auf ein Schiedsverfahren einzulassen und dann darin festzustecken. Die Art und Weise, in der Dropbox versucht, Nutzer zum Schiedsverfahren zu bewegen, lässt jedenfalls insgesamt an deren rechtlicher Wirksamkeit zweifeln.

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1 Kommentar

  • 1 JJ am 20. Mrz, 2014 um 22:56

    Wenn man sich die ganzen AGB von Dropbox anschaut, bekommt man wirklich den Eindruck, dass da kein deutscher oder europäischer Jurist mal wenigsten drübergeschaut hat.

    Für den Fall, dass die Schiedsvereinbarung fehlerhaft ist, möchte Dropbox nämlich dann gerne einen ausschließlichen Gerichtsstand in den USA haben.
    Das verbietet zum Glück die EUGVO.

    Etwas ausführlicher hier: http://www.iprblog.de/2014/03/schiedsvereinbarung-von-dropbox-wirksamkeit-der-agb-untersucht/