Europäische Datenschutzverordnung: Was sie bringen könnte, wenn sie kommt
Die europäische Datenschutzverordnung ist eines der wichtigsten EU-Gesetzgebungsvorhaben der letzten Jahre. Ich war heute vormittag zu Gast beim Deutschlandradio Wissen, um in der Rubrik „Medien“ ein wenig Licht in diese EU-Richtlinie zu bringen, die seit Jahren verhandelt wird.
Für ihre große Bedeutung spricht unter anderem die Tatsache, dass es im Verlaufe der vergangenen Jahre rund 3.100 Änderungsanträge gab und sich Heerscharen von Lobbyisten um Einflussnahme bemühen. Allein das zeigt, dass hier zwischen Datenschützern, Unternehmen und Politik heftig gerungen wird, weil alle wissen, dass Daten ein unglaublich wertvoller Schatz geworden sind, mit denen man – vor allem über personalisierte Werbung – gigantische Summen verdienen kann. Doch während der Nutzen steigt, den Firmen, aber auch Nutzer, aus den Daten ziehen können, steigen auch die Möglichkeiten für einen Missbrauch – und damit die Erwartung, dass dagegen Regeln erlassen werden.
Zu den Ideen der geplanten EU-Datenschutzgrundverordnung gehört deshalb, dieses Dilemma zumindest für den Einzelnen handhabbar zu machen. Sie setzt auf „Privacy by Design“ und „Privacy by Default“. Gemeint sind datenschutzfreundliche Voreinstellungen und technische Maßnahmen für selbstbestimmten Datenschutz der Verbraucher und Nutzer. Das ist der richtige Ansatz. Weiterhin will die EU in Sachen Datenschutz „verordnen“:das Marktortprinzip, das Recht auf Vergessenwerden und das Recht auf Datenportabilität .
Insbesondere das Marktortprinzip würde den Status Quo fundamental ändern. Beispielsweise unterliegen US-Unternehmen, die Daten von europäischen Kunden bei sich in den USA verarbeiten – sofern sie bestimmte Richtlinien einhalten – allein den US-Gesetzen, und auch der Gerichtsstand ist in den USA. Und wer kann es sich schon leisten, dort vor Gericht zu ziehen? Zudem ist in den USA das Datenschutzniveau erheblich niedriger als in Deutschland und der EU, und das heißt, hier gelten US-Gesetze, wenn man Produkte und Dienste von Firmen wie Google, Facebook, Apple oder Microsoft nutzt. An diesen Verzerrungen etwas zu ändern, gäbe Kunden und Verbrauchern gewiss neue Perspektiven.
Auch das Recht auf Vergessenwerden und das Recht auf Datenportabilität wären große Neuerungen. Allerdings gibt es bei Unternehmen Widerstand gegen die Datenportabilität , wohingegen das Recht auf Vergessenwerden auch unter Nutzern sehr umstritten ist – weil viele fürchten, dass es zu weit geht, wenn jeder auch nachträglich darüber bestimmen darf, was im Netz über ihn veröffentlicht ist und was nicht.
Hat die Eu-Datenschutzverordnung auch etwas mit dem Überwachungsskandal zu tun? Ja und nein. Die Geheimdienste werden an sich durch andere Gesetze reguliert – die sie offenkundig ständig brechen. Insofern hätte ein besserer Datenschutz keine direkte Auswirkungen auf geheimdienstliche Überwachung. Sollte die Verordnung aber dazu führen, dass bei den Unternehmen weniger Daten über die einzelnen Bürger vorliegen, wäre es für die Geheimdienste ungleich schwieriger, an diese Daten zu kommen, die sie im Moment ja nur bei den Unternehmen abgreifen müssen.
Wird die EU-Datenschutzreform umgesetzt? Ja – aber in welcher Form, ist völlig offen. Gegner und Befürworter der Verordnung verwandelten Brüssel zu einem Schlachtfeld zwischen Kommission, Parlamentariern, Lobbyisten und Aktivisten. Den Millionen Euro, mit denen Lobbyisten die Anliegen der Unternehmen durchzusetzen versuchen, können Bürgerrechtler wenig entgegensetzen. Aber sie haben gute Argumente. Und dass die Diskussion um die Reform seit längerem in dieser Schärfe geführt wird, ist schon mal ein klarer Fortschritt..
Die Aufzeichnung der Sendung findet sich auf der Website von DRadio Wissen.
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