Neue Strategie: Flattr ist tot – es lebe Flattr
Der Social-Payment-Dienst Flattr steckt in der Krise. Seit dem Start ist es in den letzten drei Jahren nicht gelungen das System so stark zu etablieren, dass die kritische Masse an Nutzern erreicht wurde. Es ist ein Nischen-Payment-Dienst geblieben, auch wenn teilweise größere Angebote wie die tageszeitung (taz) den Dienst eingesetzt haben. Aufgeben ist aber nicht die Sache der schwedischen Betreiber. Mit einer neuen Ausrichtung gehen sie in die Offensive.
Das Konzept von Flattr sieht vor, dass man ein Guthabenkonto anlegt und so selbst bestimmen kann, wieviel Geld man freiwillig in Kulturgüter bzw. online verfügbare Inhalte investiert. Je nach dem wie oft man dann die Flattr-Buttons beispielsweise unter Artikeln anklickt, wird das monatlich zur Verfügung stehende Guthaben unter den Begünstigten aufgeteilt. Die Macher um CEO Linus Olsson aus Malmö haben jetzt in dem Blog-Beitrag “Launching new Flattr – Add money to your likes” angekündigt, dass Flattr nun auch bei bereits bestehenden und genutzten beliebten Online-Diensten stärker eingesetzt werden kann. Man könnte es als Extended Flattr bezeichnen, da nun Werkzeuge bereitgestellt werden, die es erlauben die Flattr-Zahlungen direkt mit Angeboten wie Twitter, Instagram, Github, Vimeo, Flickr, Soundcloud etc. zu verknüpfen.
Im Blog-Beitrag schreiben die Flattr-Macher zu ihrer Motivation:
Everyday creators post 400 million tweets to Twitter and upload 5 million photos to Instagram. For most of us the internet is our most important source for information and creative work. We are on a mission to help creators get money for the value they create for all of us. We believe that the way people pay must be in line with the way people behave online. If you think about it, we click a lot of links only to realize it wasn’t for us. That’s because we are explorers.
Ab sofort können im Flattr-Mitgliedsbereich die entsprechenden Verknüpfungen mit bereits genutzten anderen Diensten hergestellt werden. Teilweise war das bislang auch schon möglich, nicht aber so einfach und mit so vielen Auswahlmöglichkeiten für unterschiedliche Angebote. Das Blog über Fragen der Internet-Ökonomie Netzwertig.com beschreibt weitere Auswirkungen der aktuellen Änderung im strategischen Konzept von Flattr insbesondere hinsichtlich der möglichen Verlagerung von Zahlungsströmen:
Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass sämtliche Flattr-Buttons für externe Websites uneingeschränkt weiterfunktionieren. Zumindest nach dem heutigen Kenntnisstand wendet sich der Dienst nicht von den unter eigenem digitalen Dach kreative Inhalte schaffenden Produzenten ab, sondern verlagert lediglich den Fokus der Kommunikation. Da durch die zusätzlichen angeschlossenen Plattformen mit einer breiteren Streuung der Flattr-Klicks zu rechnen ist, könnte der Vorstoß für Blogger und die wenigen, Flattr einsetzenden größeren Medienangebote wie taz.de zwar kurzfristig mit einem Rückgang der Einnahmen verbunden sein. Gelingt es den Skandinaviern jedoch, endlich auch den Internetmainstream zu erreichen und die breite Masse zum Befüllen ihres Flattr-Kontos mit einer monatlichen Summe zu bewegen, dann würde davon mittelfristig das gesamte Flattr-Ökosystem profitieren.
In einem Interview mit PandoDaily kündigt CEO Olsson zudem an, dass auch die entsprechenden Tools für eine Anknüpfung an Facebook bald bereitgestellt würden, es hier aber aktuell noch technische Probleme gebe. Im Interview heisst es:
The only difference is that Facebook is so far conspicuously absent. (Flattr says that’s because of a technical issue related to Facebook’s API, and it is a “high priority.”)
In einer einfachen Grafik hat Flaatr hier noch einmal die Funktionsweise des Systems dargestellt:
Es wird spannend sein zu beobachten, ob Flattr mit dieser Offensive vom Mikro- zum Massenphänomen wird und es gelingt, weit über die üblichen Kreise hinaus, ein neues System der freiwilligen Zahlung für kreative Leistungen zu etablieren. Die Hausaufgaben sind nun erst einmal gemacht, jetzt müssen die Nutzer zeigen, ob sie mit den neuen Möglichkeiten zufrieden sind.
4 Kommentare
1 Benjamin Wagener am 20. März, 2013 um 08:22
Ich frage mich wie man dadurch mehr Einnahmen erzielen will, dass man lediglich den Verteilungsmechanismus geringfügig optimiert.
2 Philipp Otto am 20. März, 2013 um 09:24
Alles steht und fällt mit der Reichweite. Gelingt es genug Leute -also wesentlich mehr als heute- zum Mitmachen zu bewegen, kann es erfolgreich sein. Die Integration in bestehende erfolgreiche und hoch frequentierte Dienste war überfällig.
3 Wolf B. am 20. März, 2013 um 19:15
Flattr besteht, da muss man sich nur mal den Katalog kursorisch anschauen, aus wenigen Großpodcastern samt ihrer jeweiligen Filterbubbles, die das Geld durch das System schieben. Einige wenige können davon leben, auch zurecht, wie ich finde–es wird teilweise großartige Arbeit geleistet, die es verdient, vergütet zu werden–, aber für alle anderen springt nicht mehr als ein Taschengeld dabei heraus. Das sollte man der Erhlichkeit halber dazu sagen, die jetzt eingeführten Neuerungen werden dabei nicht helfen.
Und an dem Punkt kann sich jeder die Frage stellen, ob so ein System, was letztlich nur dazu taugt, für einige wenige so etwas wie ein Einkommen zu generieren, seinen Zweck erfüllt.
Dazu kommt noch, dass es Flattr z.B. bis heute nicht geschafft hat, Bankeinzug, oder wenigstens eine normale Überweisung aus Deutschland anzubieten, alles läuft über einen Zahlungsanbieter namens Moneybookers, der wahrscheinlich auch noch mal daran verdient, Geld von A nach B zu schieben, neben Flattr.
Über Deutschland hinaus spielt Flattr überhaupt keine Rolle, jedenfalls nicht nennenswert. In den USA beispielsweise ist es gänzlich unbekannt.
Ich bin skeptisch.
4 Philipp Otto am 21. März, 2013 um 07:02
Natürlich sollten technische Funktionalitäten wenn es um den Transfair von eingesetztem Geld geht reibungslos laufen. Auch die mangelnde Verbreitung jenseits von wenigen europäischen Hubs sollte verbessert werden. Ich sehe diese beiden Punkte ebenfals als kritisch an.
Grundsätzlich geht es also insbesondere um die Verbreiterung der Nutzerschaft. Hier kann man sich nur wünschen dass das geschieht. Was die grundsätzliche Möglichkeit der Unterstützung einzelner Künstler durch selbstgewählte Donations angeht, so halte ich das für einen sinnvollen Weg. Einen neben vielen.
Man sollte nicht den Fehler machen, gerade zu Beginn einer solchen Entwicklung mit Flattr oder auch anderen Social-Payment-Anbietern, die Einnahmemöglichkeiten von heute mit den Perspektiven von Einnahmen in einem Topf zu verrühren. Ich glaube dass das Potential da ist. Ob das wirklich so ist. wird sich erst in ein paar Jahren zeigen. Davor wird ganz viel ausprobiert werden.
Was sagen Sie dazu?